Letzte Woche wurde ich von zwei Personen unabhängig voneinander gefragt, ob ich eigentlich etwas vom Inhalt mitbekomme, wenn ich Texte Korrektur lese. Hier gebe ich die Antwort – und gebe beiläufig das Versprechen, einen meiner Kunden an einem Millionengewinn teilhaben zu lassen:
1. Korrekturrunde
Jeden Text, den ich korrigiere, lese ich mindestens zweimal. Im ersten Korrekturdurchlauf geht es mir erst mal darum, den Text zu verstehen.
Hier achte ich einerseits darauf, ob
- Unstimmigkeiten im Text sind,
- der Text verständlich ist,
- die Zeiten stimmen und
- Schreibweisen einheitlich sind.
Andererseits berichtige ich auch schon
- die Grammatik,
- Rechtschreibung,
- Zeichensetzung,
- Schachtelsätze und
- Wortwiederholungen.
Ob ich dabei etwas vom Inhalt mitbekomme? Ja. Ansonsten wäre es nicht möglich, auf diese Sachen zu achten. :)
Notizen durcharbeiten
Während der ersten Korrekturrunde mache ich mir Notizen, damit ich nicht großartig aus dem Lesefluss herauskomme. Die Notizen gehe ich dann anschließend durch.
Mithilfe der Suchfunktion gilt es nun,
- die Schreibweisen zu vereinheitlichen (einheitlich „sodass“ oder „ so dass“),
- zu überprüfen, ob gefundene Fehler auch ein zweites Mal auftauchen (meistens ist dem so ;)),
- das Layout zu überprüfen,
- ggf. das Inhaltsverzeichnis mit den Titeln abzugleichen und
- bei kniffligen Stellen, die ich mir zuvor markiert hatte, die Lösung zu recherchieren.
Ist alles erledigt, lasse ich den Text (und meine Augen) eine Nacht ruhen. In 99 % der Fälle korrigiere ich erst am nächsten Tag weiter.
So kann ich garantieren, dass meine Augen wieder frisch auf Fehlersuche gehen können und dass ich genug Abstand zum Text bekomme.
2. Korrekturrunde
Schließlich starte ich in den Endspurt – oder besser gesagt in einen gemächlichen Spaziergang. Die zweite Korrekturrunde geht nämlich in gemäßigterem Tempo vonstatten.
Das liegt unter anderem daran, dass ich dabei viel näher am Text bin – buchstäblich: Ich zoome den Text auf 240 %, manchmal sogar auf 260 % heran, sodass ich möglichst nah an den Buchstaben bin.
Dann schnappe ich mir meinen Korrekturstift (einen umfunktionierten Eingabestift fürs Tablet mit Gummispitze, damit ich meinen Bildschirm nicht zerkratze, falls ich mal ausrutsche). Mit dem Stift fahre ich dann Buchstabe für Buchstabe über den Text.
Dabei geht es mir dann vor allem darum, dass
- jedes Komma sitzt,
- kein Buchstabendreher im Wort ist,
- die Grammatik stimmt
- und auch sonst alles „rund“ klingt.
Hier mache ich sozusagen den sprachlichen Feinschliff.
Während es beim ersten Korrekturdurchlauf eher um die Makroperspektive ging, nehme ich die Buchstaben und Sätze im zweiten Durchlauf eher aus der Mikroperspektive wahr.
Aber auch dabei geht der Inhalt nicht völlig an mir vorbei. Auch in der zweiten Korrekturrunde fallen mir noch sprachliche und inhaltliche Auffälligkeiten auf, da ich den Text beim zweiten Lesen nun schon kenne und so auf neue Aspekte achten kann.
Möchtest du sehen, wie ich das mache? Ich habe ein kurzes Video davon gedreht, wie ich Buchstabe für Buchstabe einen Beispieltext korrigiere. Hier kommst du zum Video.
Und wie viel bleibt davon hängen?
Würdest du mir am nächsten Tag Fragen zum Text stellen, könnte ich dir vermutlich noch einige beantworten.
Bei Texten, die ich sehr interessant finde, bleibt natürlich mehr hängen als bei solchen, die viele fachfremde Begrifflichkeiten oder mathematische Formeln beinhalten.
Auf Dauer vergesse ich die meisten Sachen vermutlich wieder. Ich habe aber ehrlich gesagt auch noch nicht versucht, den Inhalt eines Texts wiederzugeben, den ich vor zwei Jahren korrigiert habe.
Wenn ich alle Inhalte von jedem Text, den ich je korrigiert habe, behalten würde, wäre ich jetzt wohl ein Genie. :D
Aber wer weiß: Vielleicht sitze ich eines Tages bei „Wer wird Millionär“ und kann die Millionenfrage nur deshalb beantworten, weil ich zu diesem Thema einen Text korrigieren durfte. Der Kunde kriegt dann aber was vom Gewinn ab – versprochen! ;)
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